Vertragsrecht

Nur qualifizierte elektronische Signaturen, die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbunden sind, sind gemäss Artikel 14 Absatz 2bis Obligationenrecht (OR, SR 220) der eigenhändigen Unterschrift hinsichtlich der Rechtswirkungen gleichgestellt.

Was eine qualifizierte elektronische Signatur ist, regelt das Bundesgesetz vom 18. März 2016 über die elektronische Signatur (ZertES, SR 943.03). Das ZertES regelt noch weitere Arten von Signaturen: die geregelte elektronische Signatur und das geregelte elektronische Siegel, bei denen leicht geringere Anforderungen gelten als bei der qualifizierten Signatur. Alle diese vom ZertES geregelten Signaturen müssen auf entsprechenden Zertifikaten beruhen, die von in der Schweiz anerkannten Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten ausgegeben wurden.

Qualifizierte elektronische Signaturen mit qualifiziertem Zeitstempel sind nur zwingend notwendig, um Rechtsgeschäfte elektronisch abzuschliessen, für die mindestens die einfache Schriftlichkeit gesetzlich vorgeschrieben ist (Zession, Lehrvertrag, Vereinbarung eines Konkurrenzverbots, Schuldanerkennung etc.). Dass die einfache Schriftlichkeit und damit in der elektronischen Form eine qualifizierte Signatur gefordert ist, erkennt man im Privatrecht an Formulierungen wie «…schriftlich…», «…in schriftlicher Form…», «…in Schriftform…», «…mit Unterschrift versehen werden…».

Einfache Schriftlichkeit bedeutet, dass der Inhalt der Vereinbarung dauerhaft i. d. R. auf Papier oder einem Formular niedergeschrieben und anschliessend eigenhändig unterschrieben wird. Die Identität des Unterzeichnenden muss dabei feststellbar sein. Bei der qualifizierten Schriftlichkeit werden neben der Unterzeichnung mit eigenhändiger Unterschrift bestimmte zusätzliche Elemente verlangt, wie die eigenhändige Abfassung des Inhaltes, die Erwähnung von Ort und Datum (Testament), das Vorhandensein einer Rechtsmittelbelehrung etc.

In allen Fällen, wo weder die einfache noch die qualifizierte Schriftlichkeit oder die öffentliche Beurkundung vorgeschrieben sind, kann ein Rechtsgeschäft formfrei abgeschlossen werden. Die qualifizierte Signatur hat im Sinne des Gültigkeitserfordernisses für ein Rechtsgeschäft somit nur in den Fällen eine Bedeutung, wo das Rechtsgeschäft nicht formfrei abgeschlossen werden kann. Die qualifizierte elektronische Signatur geniesst jedoch das höchste Vertrauen als Beweismittel und ist aus Sicherheitsgründen zu empfehlen.

Allein die qualifizierte elektronische Signatur und das geregelte elektronische Siegel gehören zu den vom schweizerischem ZertES geregelten Signaturen und entsprechen dadurch einem genau definierten, für die Schweiz und die EU gültigen Qualitätsstandard (ETSI Normen) hinsichtlich höchster technischer Sicherheit, Schutz vor Missbrauch und Sicherheit hinsichtlich der Identität der Unterzeichnenden.

Fortgeschrittene Signaturen gibt es in vielen technischen Sicherheitsstufen und mit verschiedenen Identifikationsprozessen bei der Ausstellung. Sie sind somit nicht normiert hinsichtlich der technischen Sicherheit und der Glaubwürdigkeit der Identifikation des Inhabers. Werden fortgeschrittene Zertifikate zum Signieren eingesetzt, so sollten diese zumindest von anerkannten schweizerischen Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten und über einen sicheren Identifikationsprozess (gegen Pass oder Identitätskarte) ausgegeben worden sein, wie das z.B. beim Signaturzertifikat Klasse B der Mitarbeitenden des Bundes auf deren Smartcard der Fall ist. Andernfalls könnte ggf. eine falsche Identität des Unterzeichnenden vorgetäuscht oder vom Unterzeichnenden abgestritten werden, dass er ein Dokument gekannt und signiert hat. Umso mehr sollte deshalb die Qualität der elektronischen Signatur bzw. des Zertifikats beachtet werden.

Zertifikate von Anbieterinnen, die in der EU, dem EWR oder in Drittstaaten anerkannt sind, gelten in der Schweiz allenfalls als (sicher einzustufende) fortgeschrittene Zertifikate und damit nicht als qualifiziert oder geregelt und umgekehrt. Das Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit kann damit nicht erfüllt werden. Um daran etwas zu ändern, müsste die Schweiz mit der EU und Drittstaaten, die über vertrauenswürdige Anbieterinnen verfügen, Staatsverträge schliessen. Ein entsprechender Staatsvertrag mit der EU könnte dabei ohne technische Hindernisse abgeschlossen werden, da das ZertES kompatibel zur entsprechenden eIDAS-Verordnung der EU ist.

Zertifikate und die Art der elektronischen Signaturen sind über die Norm ETSI EN 419241-1 weltweit genormt (begrenzte Harmonisierung).

Sigi klein
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