DaziT – und danach? Wie im neuen ART Curir die Weichen für die Zukunft gestellt werden

Noch läuft das Transformationsprogramm DaziT auf Hochtouren. Schon heute stellt sich jedoch auch die Frage nach der Zeit danach. Teil des Konzepts: der neue Agile Release Train Curir.

Von der Eidgenössischen Zollverwaltung zum Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) – im Rahmen des Programms DaziT wird der Schweizer Zoll digital transformiert. Es ist ein umfassender Wandel: Die Organisation selbst soll schlank und agil, die Prozesse und Dienstleistungen vereinfacht und digitalisiert werden.

Damit das gelingt, setzt das BAZG auf agile Methoden; die übergreifende Koordination des Vorhabens wird nach dem Scaled Agile Framework (SAFe) ausgerichtet. Dieses erlaubt insbesondere auch grösseren Unternehmungen, Lean-Agile-Prinzipien und -Praktiken über Teamgrenzen hinaus auf Organisationsebene zu etablieren und damit von den entsprechenden Vorteilen zu profitieren. Ein Schlüsselelement solcher SAFe-Konstrukte ist dabei der sogenannte Agile Release Train, kurz ART. Dieser setzt sich aus einer Reihe von agilen Teams zusammen, welche dafür benötigt werden, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Auch DaziT setzt für seine Digitalisierungsbestrebungen auf eine Umsetzung in einem solchen ART: «Acziun», rätoromanisch für «Bewegung», ist gewissermassen die Softwarefabrik des Programms. Hier entstanden in den letzten vier Jahren seit Lancierung rund 30 Apps, Web-Anwendungen und IT-Basisdienste, die das BAZG seither in Betrieb nehmen konnte.

Weiterentwicklung über das Programm hinaus

Doch was, wenn die Anwendungen einmal entwickelt, die Programmziele des BAZG erfüllt sind? «Das Programm DaziT läuft voraussichtlich noch bis Ende 2026. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass danach die Arbeit endet», stellt Miriam Flückiger klar. Sie ist Release Train Engineer im BIT und hat das BAZG im Rahmen von DaziT über die letzten Jahre als Agile Coach methodisch begleitet. «Das ist ja auch eines der Kernelemente der agilen Software-Entwicklung: Wir haben zwar einen formalen Programmabschluss, aber die Entwicklung selbst hört eigentlich nie auf. Wir betreiben das, was wir erarbeitet haben, und entwickeln es laufend weiter.»

Acziun nach Programmende ohne Weiteres aufs Abstellgleis zu rangieren, widerspräche somit einem der Grundgedanken der Agilität. Wird der ART also weiterbetrieben? «Wohl nicht genau wie heute, sondern angepasst an das dann noch Notwendige – und zwar unter anderem mithilfe eines neuen Trains», erklärt Flückiger.

Zwei Welten treffen aufeinander

Die Rede ist vom neuen Agile Release Train «Curir». Wie das Wort Acziun nimmt auch Curir Bezug auf das Thema Bewegung – zu Deutsch bedeutet Curir nämlich so viel wie «rennen». Wer nun aber einen Sprint Richtung Zukunft erwartet, dürfe im ersten Moment überrascht sein. Denn Curir bewegt sich vorerst auf eine Welt zu, die zunächst nur bei Wenigen Assoziationen mit Zukunft, Modernisierung und Agilität hervorrufen dürfte: und zwar Legacy. Bei Legacy-Anwendungen handelt es sich um Applikationen, die bereits seit längerem bestehen und betrieben werden. Anders als bei den Produkten, die im Acziun-Train entwickelt werden, liegt dem Betrieb von Legacy-Anwendungen damit eine Historie zugrunde, die meist Jahre umspannt. Bei der Einführung agiler Methoden im Legacy-Bereich gelte es daher mehr zu beachten, als dies etwa bei Acziun der Fall gewesen sei, erklärt Alexandre Proca.

Als Business Owner Customs and Border Security ist er BIT-seitig dafür zuständig, dass im Programm DaziT alle möglichst reibungslos ihrer Arbeit nachgehen können. Dazu übernimmt er sowohl organisatorische als auch koordinative Aufgaben. «Natürlich mussten wir zu Beginn auch beim Acziun-Train viel in die Schulung und das Coaching der einzelnen Teams und deren Mitglieder investieren», führt Proca aus. «Aber hier war das Feld quasi leer. Wir konnten die Agilität also von Beginn an mit den Teams zusammen in diesen Projekten verankern. Bei der Legacy-Welt gestaltet sich das schon etwas kniffliger: Diese Welt verfügt bereits über einen Modus Operandi, der meist schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten existiert. Und wir kommen jetzt und versuchen, den zu ändern. Das passiert natürlich nicht von heute auf morgen.» Er stellt aber auch klar: Zwar liege der Fokus von Curir derzeit tatsächlich auf Legacy-Anwendungen, nichtsdestotrotz befasse sich der ART auch mit Neu- und Weiterentwicklungen, so etwa in den Bereichen Grenzkontrollsystem, Small Apps oder Web 2030.

Die Betriebsorganisation will frühzeitig geplant sein

Dennoch – dass ausgerechnet der Betrieb der Legacy-Applikationen in den agilen Modus überführt wird, mag zunächst etwas erstaunen. Doch die Idee kommt nicht von ungefähr: Es handelt sich dabei um vorausschauende Planung. Denn es ist die IKT-Abteilung des BAZG, welche diese Legacy-Anwendungen pflegt, und es ist ebenfalls die IKT-Abteilung des BAZG, welche die im Rahmen von DaziT entwickelten IT-Lösungen dereinst betreiben wird. Damit die bisherigen technischen und fachlichen Anwendungsverantwortlichen auch die Gelegenheit haben, sich auf diese neue Aufgabe vorzubereiten, soll das Know-how rund um die agile Arbeit frühzeitig aufgebaut und in den Teams verankert werden.

«Man kann hier ebenfalls von einer kleinen Transformation sprechen, die der IKT-Bereich des BAZG zurzeit durchläuft», so Flückiger. Viele Mitarbeitende dieser Abteilung hätten bis anhin noch kaum Berührungspunkte mit agilen Arbeitsmethoden gehabt. Entsprechend sei es wichtig, dass man sie gut abhole. «Man darf nie vergessen: Letztendlich arbeiten wir mit Menschen, die alle ihre Themen, Fragen und Bedürfnisse haben, die sie beschäftigen. Das betrifft natürlich insbesondere auch die Arbeit im agilen Modus, welche mit all ihren Zeremonien und den Tools, die dabei genutzt werden, doch eine gewisse Komplexität aufweist, in die man zunächst hineinwachsen muss.»

Eine Person zeigt während einem PI-Planning auf einer Tafel mit vielen Post-its die teilweise miteinander mit roten Fäden verbunden sind. Mehrere Personen schauen zu.
Das Wissen rund um die agile Arbeit soll frühzeitig aufgebaut und in den Teams verankert werden. Hier dargestellt: ein PI-Planning.

Agilität als Lernprozess

Gut abholen heisst zum einen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die Gelegenheit erhalten, sich mit den neuen Methoden auseinanderzusetzen. Dazu werden einerseits Grundlagenschulungen angeboten, in denen sich die Teams gleich zu Beginn der Arbeiten mit den agilen Methoden Scrum und SAFe vertraut machen können. Diese Scrum-Schulungen werden dabei mehrheitlich von BAZG-Mitarbeitenden, welche bereits seit längerem mit agilen Methoden vertraut sind und gleichzeitig über ein grosses Fachwissen verfügen, geplant und durchgeführt.

Andererseits sollen sie aber auch danach, in der konkreten Umsetzung, Unterstützung erhalten. Ergänzt werden die Grundlagenschulungen daher durch ein Coaching-Angebot: Über mehrere Sprints hinweg werden die Teams von den Coaches des BIT methodisch begleitet. «Auf diese Weise haben wir die Gelegenheit, die Fragen der Team-Mitglieder aufzunehmen und direkt zu adressieren», führt Flückiger aus. «Dabei ist uns auch immer wichtig, zu betonen, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen, dass wir gemeinsam lernen und dass es entsprechend vollkommen in Ordnung ist, wenn nicht alles von Anfang an einwandfrei funktioniert. Agil zu arbeiten ist, wie vieles andere schliesslich auch, ein Lernprozess.»

Nur die methodischen Kompetenzen zu schulen, reiche jedoch nicht aus. Denn es sei nicht nur das «Wie», das die Mitarbeitenden umtreibe, sondern auch das «Warum», erklärt Flückiger. Entsprechend sei es auch immer wichtig, gemeinsame Zielbilder und Visionen zu kommunizieren und zusammen mit den Mitarbeitenden zu schärfen.

Eine enge Partnerschaft als Schlüssel zum Erfolg

Eine gute Zusammenarbeit zwischen BAZG und BIT ist für das Gelingen des Programms unabdingbar – das betrifft sowohl die Management-Ebene als auch die beiden ART selbst. Das widergespiegelt sich auch in deren Organisation: So sind Rollen, wie etwa die des Scrum Masters respektive der Scrum Masterin, wo möglich auf beide Ämter verteilt. Das Ziel sei, ein Miteinander zu stiften, begründet Flückiger diesen Entscheid.

Auch sie hat sich zu Beginn die Rolle des Release Train Engineers mit einer BAZG-Kollegin geteilt: «Dass wir uns die Position anfänglich geteilt haben, hat bewirkt, dass wir uns stets eng miteinander abstimmen mussten. Das befördert natürlich die Zusammenarbeit, hat darüber hinaus aber auch den Effekt, dass man vom Know-how der jeweils anderen Person profitieren kann. Ich konnte dabei natürlich insbesondere meine Methodenkenntnisse einbringen und meiner Arbeitskollegin dadurch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es war mir aber immer wichtig, die Aufgabe irgendwann komplett an das BAZG abgeben zu können.» Die Rolle des BIT sei die eines «Enablers», fasst Proca zusammen. «Unsere Aufgabe ist es, das BAZG als unseren Partner bei der Erreichung seiner Ziele zu unterstützen. Am Ende ist es aber das BAZG, das den Lead übernimmt.»

Auch Doris Reber, Release Train Engineer im neuen ART Curir, betont die Wichtigkeit der engen und abgestimmten Zusammenarbeit zwischen den beiden Ämtern: «Bei einem Agile Release Train handelt es sich um eine grosse und komplexe Struktur. Damit wir diese zum Laufen bringen können, adressieren wir die noch offenen Handlungsfelder gemeinsam systematisch und bringen dabei im Austausch stets unsere jeweiligen Expertisen ein.»

Während die Differenzierung zwischen BAZG und BIT in Bezug auf die Organisation natürlich relevant ist, so ist von dieser Trennschärfe im Arbeitsalltag wenig zu spüren. Alle Beteiligten arbeiteten mit der Einstellung, DaziT für das BAZG vorantreiben zu wollen – unabhängig davon, zu welcher Verwaltungseinheit sie gehörten, so Proca: «Wer zu welchem Amt gehört, rückt völlig in den Hintergrund. Würde man als unbeteiligte Person etwa ein PI-Planning besuchen, wäre es kaum möglich, zu sagen, wer zum BIT und wer zum BAZG gehört. Im Zentrum stehen die Motivation und das Miteinander – auf allen Ebenen des Programms.»

Ein Zug für die Zeit danach

Wie schon bei Acziun setzt man auch bei Curir auf einen schrittweisen Aufbau der Strukturen. Waren anfänglich drei Teams mit an Bord, sind es nun bereits neun. Diese Vorgehensweise erlaubt den BIT- und BAZG-Spezialistinnen und -Spezialisten, ihre Coaching-Bemühungen zu staffeln und der initialen Betreuung jedes einzelnen Teams damit genügend Zeit einzuräumen.

In den kommenden Monaten gilt es, die Rollen zu schärfen und Abläufe zu optimieren. Anschliessend soll der neue Train langsam an DaziT herangeführt werden. Irgendwann, so die Vision, sollen die Teile von Acziun, die auch nach DaziT noch fortbestehen werden, langsam mit Curir verwachsen; aus zwei Trains wird schliesslich ein einziger werden. Die Weichen dazu sind gestellt – und Curir hat seine Reise in Richtung Zukunft angetreten.

Schon gewusst? Viele der Schlüsselrollen in Curir sind mit Frauen besetzt!

In der Informatik ist der Anteil Frauen immer noch tiefer als in anderen Branchen. Nicht so bei Curir: Gleich mehrere wichtige Rollen sind im Train mit Frauen besetzt, welche alle neben ihrer SAFe-Rolle noch eine Linienaufgabe im BAZG übernehmen.

Doris Reber ist Chief Operating Officer (COO) und Release Train Engineer (RTE). Diese Schlüsselrolle im SAFe-Framework kann als eine Art «Scrum Master Plus» beschrieben werden. Die RTE kommuniziert mit den Stakeholder/innen, koordiniert und unterstützt die Teams, ermöglicht die Zeremonien und steuert so den Train. RTE fördern das Handeln und Denken nach agilen Prinzipien und unterstützen die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Teams. Diese spannende und anspruchsvolle Rolle teilt sie sich mit Mirjam Stettler, stellvertretende RTE und Projektleiterin. «Die Methodik ist wichtig, aber die Motivation der Mitarbeitenden ist das A und O des gemeinsamen Erfolges», sind sich die beiden einig.

Die Rolle des Product Managers (PM) in Curir ist doppelt besetzt. Nebst Markus Troxler übernimmt Gabriella Derungs-Gfeller neben ihrer Linienfunktion in der Organisationseinheit Projektmanagement/Ressourcen auch die PM-Rolle in Curir. «Der Grundsatz von Curir ist die Gewährleistung eines sicheren und stabilen Betriebs. Die Herausforderung besteht darin, das Betriebliche neben den Weiter- und Neuentwicklungen zu managen – dafür brauchen wir neben dem methodischen Rahmen ein pragmatisches Vorgehen», erklärt sie.


BIT-Kontakt:

Miriam Flückiger
Release Train Engineer
Tel.: 058 462 55 18

Text: Suela Amin


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