Digitalisierung als Herausforderung und Chance

Die Bundesinformatiktagung, die von den fünf bundesinternen IKT-Leistungserbringern gemeinsam mit dem Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) im Stade de Suisse organisiert wird, stand ganz im Zeichen der Digitalisierung. Die rund 320 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten interessante Einblicke in die rasante Entwicklung und lernten, dass Digitalisierung mehr umfasst, als bestehende Prozesse in die digitale Welt zu übertragen. Die Bundesinformatiktagung, die von den fünf bundesinternen IKT-Leistungserbringern gemeinsam mit dem Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) im Stade de Suisse organisiert wird, stand ganz im Zeichen der Digitalisierung. Die rund 320 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten interessante Einblicke in die rasante Entwicklung und lernten, dass Digitalisierung mehr umfasst, als bestehende Prozesse in die digitale Welt zu übertragen.

«Digitalisierung – ein Buzzword, ein Schlagwort, ein Hype?» Mit dieser Frage eröffnete Peter Fischer, Delegierter ISB, die fünfte Bundesinformatiktagung, die am 12. September im Stade de Suisse stattgefunden hat. Wie man die Frage auch beantworten mag, ­für ­Peter Fischer ist klar: «Lieber auf einer Welle reiten, statt von ihr überrollt zu werden.»

«Sobald eine technische Entwicklung möglich ist, kommt sie auch»

In der ersten Keynote gab Damir Bogdan, Gründer der Firma Actvide AG, einen Einblick in die Welt der Startups und Grosskonzerne, die mit ihren Geschäftsmodellen vorleben, was Digitalisierung heisst und uns zeigen, wohin die Reise geht. Etwa anhand von Lee Sedol, dem weltbesten Spieler des Brettspiels Go: Im März 2016 ist er gegen das Computerprogramm AlphaGo, einer Entwicklung von Google DeepMind, angetreten und hat verloren. Go ist ein asiatisches Brettspiel mit einer praktisch unendlichen Anzahl möglicher Spielzüge. «Bemerkenswert am Sieg von AlphaGo ist, dass die Entwickler dem Computerprogramm das Spiel nie beigebracht haben», sagte Damir Bogdan. Stattdessen hat die Software gegen sich gespielt, sich durch maschinelles Lernen selbst programmiert und ihr Spiel ständig verbessert. Noch 1997 hat die New York Times geschrieben, dass es mindestens hundert Jahre dauern wird, bis ein Computer eine Go-Partie gewinnen kann. Eingetreten ist es bereits nach zwanzig Jahren. Den Auslöser für diese rasante Entwicklung sieht Damir Bogdan bei der immer günstiger verfügbaren Rechen- und Speicherleistung. «Auf die Frage, wann eine technische Entwicklung kommt, gibt es nur eine Antwort», so Damir Bogdan. «Ist es technologisch umsetzbar, dann jederzeit.»

Digitales Dänemark

Ein Vorreiter in Sachen Digitalisierung der Verwaltung ist Dänemark. Das Land befindet sich bei Umfragen zu Digitalisierung und E-Government regelmässig auf den Spitzenplätzen. Lars Frelle-Petersen, stellvertretender ständiger Staatssekretär des dänischen Finanzministeriums und ehemaliger Direktor der dänischen Digitalisierungsbehörde, zeigte in seiner Keynote, wie Dänemark die digitale Transformation der Verwaltung angegangen ist. «Bereits 2001 haben die Kommunen, Regionen und die Regierung in Dänemark eine gemeinsame Strategie zur Digitalisierung der Verwaltung ausgearbeitet», erklärte Lars ­Frelle-Petersen. «Wir haben uns gesagt, dass es einfach sein muss, ein Bürger Dänemarks zu sein. Die Menschen haben sich im Privatleben an digitale Services gewöhnt. Warum soll eine Behördendienstleistung nicht genauso einfach digital abzuwickeln sein, wie die Bestellung in einem Onlineshop?» Als Grundlage dazu, hat Dänemark bereits 2001 damit begonnen, eine digitale Signatur einzuführen. «Niemand hat damals verstanden, wie die digitale Signatur funktioniert. Sie war zwar sehr sicher, aber viel zu kompliziert», so Lars Frelle-Petersen. «Für einen zweiten Versuch haben wir uns mit den dänischen Banken zusammengetan und gemeinsam eine einfachere digitale Signatur für die Bürger erarbeitet.» Die Partnerschaft zwischen Verwaltung und Privatwirtschaft war ein Erfolg: Nach drei Monaten benutzten die digitale Signatur bereits 3.5 Millionen Bürger. Heute kommt sie täglich 1.8 Millionen Mal zum Einsatz.

So sind über die Jahre in Dänemark immer mehr digitale Behördendienstleistungen entstanden. Besonders interessant ist das digitale Postfach für offizielle Korrespondenz. Seit 2011 ist es für Bürger obligatorisch, digital mit den Behörden zu kommunizieren. 4.8 Millionen Dänen ab 15 Jahren haben ein digitales Postfach, über das sie offizielle Behördenkorrespondenz erhalten. Auch hier setzt der dänische Staat nicht auf eine Insellösung, sondern arbeitet eng mit der Wirtschaft zusammen. Benutzer des digitalen Postfachs können sich, wenn sie möchten, auch offizielle Korrespondenz von Unternehmen zusenden lassen – Werbung ist jedoch verboten.

Mittlerweile bietet Dänemark über 100 Services als digitale Dienstleistung mit Self Service an. 87 Prozent aller Behördenleistungen sind bereits digitalisiert. «Damit wir dieses Ziel erreichen konnten, sind wir ab 2012 jedes Jahr ins dänische Parlament gegangen, um die Nutzung neuer digitaler Services obligatorisch zu machen», sagt Lars Frelle-Petersen. Ein Weg, der sich in Dänemark auch finanziell gelohnt hat: Dank digitaler Prozesse stehen dem dänischen Staat rund 296 Millionen Euro jährlich für andere Zwecke zur Verfügung.

Lars Frelle-Petersen spricht über die Digitalisierung der dänischen Verwaltung.
Lars Frelle-Petersen spricht über die Digitalisierung der dänischen Verwaltung.

Digitale Transformation bedingt neue Formen der Zusammenarbeit

Für Peter Fischer ist die digitale Transformation in der Bundesverwaltung mehr als ein reines «elektrifizieren» von bestehenden Papierprozessen. «Digitalisierung ist eine Veränderung und Vereinfachung der Prozesse. Wie in der Wirtschaft können ganze Wertschöpfungsschritte obsolet werden. Sie bedingt aber auch neue Formen der Zusammenarbeit: Weg von vertikalen Silos innerhalb der Bundesverwaltung, hin zu horizontalen Netzwerken und Ökosystemen, in denen verschiedene Partner gemeinsam eine Leistung erbringen.»

Peter Fischer, Delegierter ISB.
Peter Fischer, Delegierter ISB.

SECO: Administrative Belastung für Firmen senken

Ein Beispiel, wie die Bundesverwaltung Voraussetzungen für die Digitalisierung ihrer Kontakte mit Bewohnern und Wirtschaft umsetzt, ist der One-Stop-Shop des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. Projektleiter Philippe Zimmermann stellte den One-Stop-Shop vor, ein Portal über das Unternehmen in Zukunft ihre Behördengänge von der Firmengründung über den Betrieb bis zur Liquidation elektronisch abwickeln können. Der Vorteil: Über eine zentrale Einstiegsseite können Unternehmen mit nur einem Login ihre Behördengänge auf allen föderalen Ebenen abwickeln – auch ohne vertiefte Kenntnisse der dahinterstehenden Verwaltungsabläufe. Der One-Stop-Shop ist unter dem Namen EasyGov.swiss seit dem 6. November 2017 online.

Interessierte Mitarbeitende haben die Möglichkeit, einen halbtägigen Kurs beim AZB zu besuchen, um dort das neue Betriebssystem und die Office-Palette kennenzulernen.

Mobilitätsdienstleistungen über alle Anbieter hinweg?

Im Bundesamt für Verkehr (BAV) läuft ein Projekt, das die Grundlagen für digitale Mobilitätsdienstleistungen prüft. «Es gibt heute noch keine Anwendung, die es erlaubt, für eine Strecke alle verfügbaren Transportangebote anzeigen zu lassen, die Preise verschiedener Kombinationen zu vergleichen und idealerweise eine gewählte Reise gleich zu buchen», sagte Projektleiter Gregor Ochsenbein. Damit ein solcher Service in Zukunft realisiert werden kann, sind Geo-, Betriebs- und Preisdaten verschiedener Akteure notwendig. Aktuell wird geprüft, welche Daten bereits existieren, welches Potenzial Mobilitätsdienstleistungen haben und ob sie künftig zu einer optimaleren Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur beitragen können.

Elektronisches Patientendossier

Adrian Schmid, Leiter von eHealth Suisse stellte das elektronische Patientendossier (EPD) vor, dessen Einführung das Parlament 2015 mit grosser Mehrheit beschlossen hat. Im Gesundheitswesen kommunizieren verschiedene Akteure miteinander: Haus- und Spezialärzte, Apotheken, Therapeuten, Spitäler, Heime und Spitex tauschen in unterschiedlichen Konstellationen Informationen aus. «Heute findet diese Kommunikation in der Schweiz noch zu zwei Dritteln per Fax und Post statt», sagt Adrian Schmid. Mit der Einführung des EPD soll sich das ändern: Die Informationen werden digital erfasst und den berechtigten Personen zur Verfügung gestellt. Dabei können die Patienten ihre Daten jederzeit einsehen. Sie erteilen auch die Zugriffsrechte und können dem EPD eigene Daten hinzufügen. Die Einführung des EPD erfolgt ab Mitte 2018.

Gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Transformation angehen

An der abschliessenden Podiumsdiskussion nahmen neben den Keynote-Sprechern Damir Bogdan und Lars Frelle-Petersen, der Generalsekretär des EDI, Lukas Bruhin, Peter Fischer vom ISB, BIT-Direktor Giovanni Conti und der Chef der Führungsunterstützungsbasis FUB, Jean-Paul Theler teil. Einig waren sich die Podiumsteilnehmer, dass die Digitalisierung mehr als die Automatisierung von bestehenden Prozessen ist. Voraussetzung für die digitale Transformation in der Bundesverwaltung sei eine Kultur, die es ermögliche, Geschäftsprozesse neu zu denken und nicht einfach bestehendes 1:1 in die digitale Welt zu übersetzen. Damit das gelingt, seien neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Leistungsbezügern nötig – die Trennung zwischen Fach und Informatik genauso wie diejenige zwischen den verschiedenen Fachbereichen, wie sie heute noch häufig gelebt wird – werde den Herausforderungen der digitalen Welt nicht mehr gerecht. Die Digitalisierung ist ein Thema, das alle Verwaltungseinheiten des Bundes betrifft und das sich nicht outsourcen lässt, so ein weiteres Votum. Nur mit gemeinsamen Kräften lassen sich die Herausforderungen meistern und die Chancen der digitalen Transformation nutzen. 

Präsentationen sowie eine Bildergalerie finden Sie auf intranet.isb.admin.ch.

Teilnehmer der Podiumsdiskussion v. l. n. r.: Lukas Bruhin, Generalsekretär des EDI, die beiden Keynote Sprecher Lars Frelle-Petersen und Damir Bogdan, Peter Fischer, Delegierter ISB, Giovanni Conti, Direktor BIT und Jean-Paul Theler, Chef FUB.
Teilnehmer der Podiumsdiskussion v. l. n. r.: Lukas Bruhin, Generalsekretär des EDI, die beiden Keynote Sprecher Lars Frelle-Petersen und Damir Bogdan, Peter Fischer, Delegierter ISB, Giovanni Conti, Direktor BIT und Jean-Paul Theler, Chef FUB.

Autor: Daniel Wunderli

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