«Dank des Releases viel mehr Flexibilität für Kunden»

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und das BIT haben am Wochenende vom 1. Oktober im Programm FISCAL-IT den Release ZR0217 produktiv gesetzt. Dieser Release löste die veraltete Fachanwendung STOLIS* ab und stellte die Migration der Daten in die neuen Applikationen sicher. Dieser Release ist einer der komplexesten, den das BIT jemals produktiv gesetzt hat. Ein Interview mit dem Release Manager Christoph Buck.

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«Eisbrecher»: Was genau ist beim FISCAL-IT-Release ZR0271 passiert?

Christoph Buck: Wir haben das von der ESTV und dem BIT gemeinsam entwickelte Fachsystem «Direkte Bundessteuer», kurz DIFAS, live geschaltet und die veraltete Vorgänger-Software STOLIS abgelöst. Die ESTV erhält nun mit DIFAS für die direkte Bundessteuer, die Verrechnungssteuer und die Stempelabgaben eine neue, zeitgemässe Software. DIFAS wurde zusammen mit einem ganzen Bündel von Applikationen ausgerollt, mehrere Datenmigrationen durchgeführt und Altsysteme in den read-only-Modus gesetzt. Damit wir all diese Schritte kontrolliert abarbeiten konnten, haben wir 16 strukturierte Detaildrehbücher erstellt und in einem Gesamtdrehbuch zusammengefasst. Über 180 Personen wurden für die verschiedenen Aufgaben aus den unterschiedlichsten Bereichen aufgeboten. Dieses detaillierte Drehbuch deckte eine Zeitdauer von zwei Wochen ab. Um den Workload in der kritischen Phase am Deployment-Wochenende zu optimieren, haben wir den Roll-Out stufenweise durchgeführt. Zum Beispiel wurden Neu-Applikationen, die noch nicht im Betrieb sind, früher ausgerollt. Damit die Komplexität der Datenmigrationen weiter optimiert werden konnte, haben wir zusammen mit der ESTV Massnahmen ergriffen, um den Stopp von Fachprozessen zu optimieren. So haben wir das Scanning von einzelnen Dokumentklassen bereits früher reduziert und
schlussendlich gestoppt. FISCAL-IT wird nicht auf einer komplett unabhängigen Plattform betrieben, sondern ist in die IT-Infrastruktur des BIT eingebettet. Dadurch waren natürlich auch alle Changes ausserhalb von FISCAL-IT zu überwachen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war, das Risiko für einen No-Go-Live am Deployment-Wochenende möglichst tief zu halten. Deshalb haben wir alle Changes ausserhalb von FISCAL-IT überprüft und nur diejenigen umgesetzt, die das Deployment nicht gefährdet haben. Dies mit dem Ziel, bei unerwartet auftauchenden Problemen nur die von uns verursachten Änderungen analysieren zu
müssen, um innerhalb von kurzer Zeit Korrekturmassnahmen einleiten zu können.
 

Was umfasst Ihre Rolle?

Als Release Manager sorge ich dafür, zusammen mit den Stakeholdern ein passendes Software-Paket zu schnüren und dies koordiniert in die Produktion auszurollen. Dazu gehört die Analyse der Abhängigkeiten und das Planen des Einführungszeitpunktes. Die Koordination und Kommunikation mit den wichtigsten Stakeholdern von der Fachseite wie auch der IT ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Auch die Steuerung der Installationsprozesse über die verschiedenen Abnahmeumgebungen sind Bestandteil des Release Managements. Für das Deployment werden Drehbücher erstellt. Darin wird beschrieben, wer wann welche Schritte für das Deployment der neuen Software durchführen muss. In der letzten Phase, dem eigentlichen Deployment, ist klare und rasch fliessende Kommunikation zentral. Nur so kann der meist gedrängte Zeitplan eingehalten werden. So haben wir alle Leute vor Ort in der Black Pearl, dem Standort des BIT in Zollikofen, am Deployment-Wochenende untergebracht.
 

Und was ist jetzt im Vergleich zu vorher bei FISCAL-IT anders?

Da nun mit der Produktion die letzte Umgebung aus FISCAL-IT mit der neuen Software bestückt ist, sind wir nun der Philosophie «Deploy at any time» der Projektmethodik SAFe (vgl. Artikel im «Eisbrecher» Nr. 66 unter «Weitere Artikel zu diesem Thema») einen wichtigen Schritt nähergekommen. Für das kommende Jahr haben wir für jeden Monat ein Deployment-Fenster geplant. Diese können wir bei Bedarf nutzen und sie gelten für alle der 28 FISCAL-IT-Applikationen. Damit können wir als IT für die ESTV kontinuierlich und unmittelbar Verbesserungen und Erweiterungen bereitstellen. Dank des Releases haben wir viel mehr Flexibilität für Kunden. Der Kunde muss nun nicht mehr auf den «Big Bang» warten. Mit der neuen Philosophie erhält er fortlaufend weitere Funktionalitäten. Dadurch nimmt die Komplexität beim Testen ab, «Time To Market» wird kürzer und damit zahlen sich die Investitionen schneller aus. Das Wichtigste bei SAFe ist, dass kontinuierlich geliefert wird - weg vom Big-Bang-Approach. Ich gehe etwas an, verstehe es und gebe es dann gleich weiter. Die Idee dabei ist auch, dass die Mitarbeiter in diesen Fluss des kontinuierlichen Angehens, Verstehens und Auslieferns kommen.


Worauf muss das BIT den Fokus legen?

Die Leitfrage muss immer sein: Was möchte der Kunde und welche von uns angebotene Lösung passt am besten? Auch die Wertschätzung des Kunden müssen wir weiterhin hochhalten. Bedingt durch die technologische Entwicklung werden Fachprozesse und damit die Software-Lösungen in der Zukunft noch stärker vernetzt sein und der Zugriff soll von unterschiedlichsten Geräten möglich sein. Fachprozesse End-To-End auch in der IT zu verstehen, wird für das effiziente Betreiben einer Software noch wichtiger werden.


Welche Herausforderungen kommen nun auf FISCAL-IT zu?

Im nächsten Jahr findet die MOLIS-Ablösung statt, also die Ablösung der Mehrwertsteuer-­Software – der zweite grosse Brocken in FISCAL-IT. Mit der STOLIS-Ablösung haben wir die neuen Applikationen vollständig in Betrieb genommen. MOLIS wird vor allem durch das hohe Transaktions-Volumen eine Knacknuss werden. Es wird sicher auch die eine oder andere Herausforderung im MwSt-Regelwerk geben. Trotzdem: mit der STOLIS-Migration haben wir 70% der Plattform und ihrer Funktionalität und Teile der Fachapplikation in Betrieb genommen. Das Risiko für den MOLIS­Release wird daher deutlich kleiner sein. Die Prozesse und Abstimmungen sind nun bereits viel standardisierter und die Personen im Programm haben sich daran gewöhnt. Ich gehe also davon aus, dass wir hier einen weniger grossen Berg erklimmen müssen.


Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der ESTV seit dem ersten Releasewochenende verändert?

Adrian Hug, Direktor der ESTV, hat in seiner Rede am «Go-live Apéro FISCAL-IT» erwähnt, dass die ESTV-Mitarbeitenden die neue Software positiv aufgenommen haben. Dies ist nicht selbstverständlich für eine neue Software. Wir sind sehr erfreut über dieses positive Feedback und für mich ist es eine wichtige Basis für die zukünftige Zusammenarbeit. Mit diesem Release haben wir nun bewiesen, dass wir solch komplexe Software erstellen und in Betrieb nehmen können. Die Zusammenarbeit ist nun entspannter. Die Herausforderung, kontinuierlich sichtbare Lieferresultate zu erbringen, bleibt bestehen.
 

*Die Mitarbeitenden der ESTV haben die STOLIS-Anwendung verwendet, um die Stammdaten der Benutzer zu verwalten, die eingegebenen Daten zu prüfen und die nachfolgenden Arbeitsschritte auszulösen. Dies im Bereich der direkten Bundesteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgabe.

 


Autor: Rinaldo Tibolla

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